Veränderungen

Was Sie über Veränderungsprozesse wissen sollten

«Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass alles sich ändert!»

Giuseppe Tomasi di Lampedusa

Das Leben ist Veränderung

Veränderungen gehören zu unserem Leben. Ohne Veränderungen träten wir auf der Stelle, ohne Veränderungen keine Entwicklung, kein Wachstum. Die Reihe solcher und ähnlicher Aussagen lässt sich beliebig fortsetzen, und das meiste würden wir unterschreiben.

Aber wieso tun wir uns so schwer mit diesen Veränderungen, wenn sie doch lauter Chancen und neue Möglichkeiten eröffnen?

Veränderungen sind grundsätzlich weder gut noch schlecht, und sie tragen ebenso grundsätzlich stets auch die Chance zur Verbesserung oder zur Verschlechterung einer bestehenden Situation in sich. Entscheidend ist aber stets, was wir daraus machen. Steht eine Veränderung an, können wir darüber jammern oder uns überlegen, welche Möglichkeit sie uns eventuell bieten kann. Wollen wir unser Leben aktiv gestalten, so werden wir immer etwas verändern wollen.

Die Angst vor Veränderungen

Wie jedes Lebewesen, ist auch der Mensch grundsätzlich auf den Erhalt einer Art, das heisst auf sein Überleben ausgerichtet. Deshalb reagieren wir auf alles Neue instinktmässig mit Vorsicht, Skepsis oder gar Angst: Es könnte ja lebensbedrohend sein.

Diese Reaktion ist in unserem Stammhirn fest verankert, dagegen helfen weder Rationalität noch Intellekt. Wenn unser Stammhirn Gefahr signalisiert, reagieren wir automatisch mit Angst. Erst danach können wir Verstand und Geist einsetzen, und unsere Lebenserfahrung hilft uns dabei, neue Situationen zu meistern.

Veränderungen bringen stets etwas Neues mit sich. Mit Vertrautem kennen wir uns aus, aber das Neue wirkt vorerst bedrohlich, weil wir noch nicht einschätzen können, was es mit sich bringt.

Widerstände gegen Veränderungen sind deshalb natürlich. Dies gilt es in allen Veränderungsprozessen zu berücksichtigen, bei grossen wie bei kleinen, im Privatbereich wie im Berufsalltag. Dessen muss man sich zu Beginn aller eränderungsprozesse bewusst sein.

Warum wir Angst vor Veränderung haben

Diese «stammesgeschichtlich» begründete Ur-Angst vor Veränderungen kann durch verschiedene Faktoren verstärkt werden. Hier einige Beispiele:

Kontrollverlust
Die meisten Menschen brauchen Sicherheit, das Gefühl, ihr persönliches Umfeld zu kennen oder gar kontrollieren zu können.Veränderungen bedrohen diese persönliche Sicherheit, umso mehr, wenn den Betroffenen keine Gelegenheit geboten wird,
aktiv daran teilzunehmen. Hier gilt der berühmte Satz «Betroffene zu Beteiligten machen» ganz speziell.

Verunsicherung
Wenn die Menschen nicht wissen, wohin der nächste Schritt führt, reagieren sie mit Verunsicherung und widersetzen sich den geplanten Veränderungen.

Überraschung
Kommen diese Veränderungen überraschend und ohne Vorankündigung, dann verstärkt sich der Widerstand. Verunsicherung und Überraschung können durch rechtzeitige transparente Information verhindert werden.

Macht der Gewohnheit
Der Mensch entwickelt ein Bewusstsein für Routine und Gewohnheiten, das erleichtert ihm sein Dasein. Darum sollten Veränderungen nach Möglichkeit auf Traditionen weiterbauen und nicht als totales Anderssein daherkommen.

Gesichtsverlust
Wenn Veränderung bedeutet, dass alles, was früher getan wurde, falsch ist, widersetzen sich die Betroffenen. Niemand will sein Gesicht verlieren und als «dumm» erscheinen. Eine perspektivische Darstellung der alten Handlungsweisen wird dies verhindern: «Was damals richtig war, kann heute, bei veränderten Verhältnissen, nicht in gleicher Weise fortgeführt werden.»

Kompetenzverlust
Manchmal sträuben sich Menschen vor Veränderungen, weil sie fürchten, ihre bisherigen Kompetenzen reichten für das Neue nicht aus und sie müssten nochmals ganz von vorne anfangen. Neben Weiterbildungsmöglichkeiten braucht es in Veränderungsprozessen auch die Möglichkeit, neue Verhaltensweisen entsprechend einzuüben.

Falscher Zeitpunkt
Menschen können sich auch Veränderungen widersetzen, weil sie für sie im falschen Moment eintreffen: Sie können unter Umständen persönliche, berufliche oder private Pläne stören. Es lohnt sich in Veränderungsprozessen oft, auf solche Menschen zu «warten» und sie nicht allzu abrupt den Neuerungen auszusetzen.

Mehrarbeit
Veränderungsprozesse verlaufen meist neben dem täglichen Routinegeschäft und bedeuten unter Umständen enormen Mehraufwand. Auch das schürt Widerstand, vor allem, wenn diese Mehrarbeit als Selbstverständlichkeit unbeachtet bleibt.

Ressentiments
Oft sind Menschen mit den Realitäten sehr unzufrieden, behalten dies jedoch für sich. Kommen nun noch Veränderungen auf sie zu, so werden diese kaum motiviert mitgetragen.

Existenzangst
Schliesslich können Veränderungen für Menschen wirklich existenzbedrohend sein; bei Unternehmensrestrukturierungen gehen viele Arbeitsplätze verloren.

Das Wesen von Veränderungsprozessen

Fahren Sie Velo?

Vergleichen wir einen Veränderungsprozess mit einer Velofahrt. Wenn Sie Velo fahren, dann «verändern» Sie sich von einem Ort zum andern. Zunächst werden Sie Muskelkraft einsetzen müssen, um Ihr Fahrrad in Bewegung zu setzen, vor allem, wenn Ihre Fahrt am Fusse einer Steigung beginnt. Nach dem Start werden Sie kontinuierlich Kraft einsetzen, um Ihr Fahrrad in Schwung zu halten. Noch mehr Kraft brauchen Sie, wenn Sie schneller fahren wollen. Und je steiler der Weg ist, desto stärker werden Sie in Ihre Pedalen treten. Dabei dürfen Sie Ihre Fitness nicht überbeanspruchen, Sie müssen Ihre Kräfte einteilen und werden wohl hie und da eine Pause einschalten und sich verpflegen, Kraft tanken.

Je nach Art Ihrer Tour werden Sie auch Ihr Fahrrad auswählen und kaum mit einem Rennrad querfeldein fahren. Auch werden Sie, wenn Sie nicht eine reine Vergnügungsfahrt planen, genau wissen, wohin Sie wollen. Vielleicht werden Sie auch von gewohnten Wegen abweichen, um Ihr gestecktes Ziel zu erreichen.

Überlegen Sie sich, ob Sie alles, was Sie beim Fahrradfahren beinahe instinktiv richtig machen, auch bei Veränderungsprozessen berücksichtigen!

Veränderungen verlaufen in verschiedenen Phasen

Skepsis
Auf Veränderungsprozesse reagieren die Betroffenen mit Verwirrung, Skepsis oder gar Angst. Wie beim Fahrradbeispiel, braucht es also einigen Aufwand und einige Überzeugungsarbeit, um den Prozess überhaupt in Gang zu bringen.

Widerstand
Aus der Skepsis gegenüber geplanten Veränderungen entwickeln sich zuerst oft Abneigung oder gar Widerstand. Wie bei einer Steigung, werden Sie den Kraftaufwand erhöhen müssen.

Rationale Akzeptanz
Ihre Überzeugungsarbeit beginnt langsam zu greifen, die Betroffenen erkennen zwar die Notwendigkeit der Veränderung, hängen aber weiterhin am Althergebrachten und trauen dem Neuen noch nicht.

Emotionale Akzeptanz
Eine sehr entscheidende Phase, die oft als «Tal der Tränen» bezeichnet wird. Die Erkenntnis wächst: Das liebgewordene Alte führt nicht weiter, es gilt, Abschied zu nehmen, loszulassen. Dieser schmerzliche Prozess, nennen wir ihn ruhig «Trauerarbeit», braucht Zeit, um frei zu werden für das Neue. Hier entscheidet sich, ob aus Betroffenen Beteiligte werden, aus «Opfern» Promotoren der Erneuerung.

Neue Kompetenz
Die durch eine Veränderung hervorgerufene Situation wird langsam vertraut, Sicherheit und Kompetenz der Beteiligten nehmen zu, der Optimismus steigt, das Ziel rückt näher und der Veränderungsprozess kommt Erfolg versprechend in Fahrt.

Erfahrung
Führt die Veränderung zu einer allseits akzeptierten Verbesserung der Situation, so werden die positiven Erfahrungen bei der Bewältigung eines nächsten Veränderungsprozesses äusserst hilfreich sein.

Erfolgsfaktoren in Veränderungsprozessen

Change-Management bedeutet nichts anderes, als eine heutige Situation planmässig und erfolgreich in eine gewünschte neue Situation zu überführen. Nicht alle Veränderungsprozesse verlaufen erfolgreich, viele bleiben stecken oder führen nicht zum gewünschten Resultat. In der Fachliteratur finden wir unter anderem folgende Punkte, die es zu beachten gilt.

Sorgfältige Planung

Für diese fünf Schritte müssen Sie sich im Veränderungsprozess genügend Zeit nehmen:

  1. Erkenntnis, dass Veränderungen notwendig sind: So geht es nicht weiter!
  2. Klärung der Zielvorstellung: Wo wollen wir hin?
  3. Planung der notwendigen Schritte zur Zielerreichung: Welches Etappenziel erreichen wir bis wann?
  4. Durchführung der geplanten Schritte.
  5. Konsolidierung der jeweiligen Zwischenziele bis zum Abschluss des Prozesses.

Miteinbezug aller Beteiligten

Werden die Betroffenen rechtzeitig in die Planung des Veränderungsprozesses einbezogen, so werden sie die Umsetzung nicht blockieren, sondern als Beteiligte mitgestalten.

Information

Veränderungen dürfen nicht im stillen Kämmerlein beschlossen, geplant und aus blauem Himmel angeordnet werden. So wird ein Misserfolg vorprogrammiert. Offene, transparente Information während des gesamten Prozesses ist von fundamentaler
Bedeutung.

Weiterbildung

Veränderungen verlangen oft nach neuen Kompetenzen. Die Mitarbeitenden müssen die Chance erhalten, sich diese neuen Fähigkeiten anzueignen.

Sinn der Veränderung muss erkennbar sein

Nicht nur das Ziel, auch der Sinn und die Bedeutung einer Veränderung für das Unternehmen müssen für alle erkennbar sein, sollen die Neuerungen mitgetragen werden. Veränderungen nur um einer Veränderung willen sind nicht empfehlenswert.

Vorgesetzte als Vorbild

Vorgesetzte müssen Veränderungen aus Überzeugung unterstützen und vorangehen. Die Mitarbeitenden werden gerade in Veränderungsprozessen sehr genau darauf achten, ob ihre Vorgesetzten auch hinter dem Neuen stehen. Werden Veränderungen vorgeschrieben und nicht vorgelebt, bleibt der Erfolg fraglich.

Nicht nur harte Faktoren zählen

Veränderungsprozesse dürfen nicht nur betriebswirtschaftliche Erfolgsgrössen im Blick behalten, auch wenn Veränderungen eine Verbesserung des wirtschaftlichen Erfolgs zum Ziel haben. Strategien, Strukturen und Kultur sind eng miteinander verbunden. Veränderungen werden immer alle drei Bereiche tangieren. Veränderungen bedingen weiche Faktoren wie Engagement, Hoffnung, Mut, Motivation. Zählen nur harte Faktoren, so reagieren die Betroffenen mit Verweigerung, Resignation,
Angst und Widerstand.

Faktor Zeit

Auch wenn Veränderungsprozesse meistens erst unter Zeitdruck eingeleitet werden, müssen Sie sich stets bewusst sein, dass sie Zeit brauchen. Initiieren Sie Veränderungsprozesse also frühzeitig, damit Ihnen auch Raum bleibt, auf nvorhergesehene Ereignisse zu reagieren. Und vor allem: Sehen Sie in Ihrer Planung Freiräume und Möglichkeiten vor, mit möglichem Widerstand angemessen umzugehen.