Gender

Gleichwertigkeit der Geschlechter – gleiche Chancen für Mann und Frau

«Wenn Kenntnisse und Lebensklugheit sich in einer Person vereint finden, frage ich nicht nach dem Geschlecht: Ich bewundere.»

          Jean de la Bruyère (1645–1696)

Was ist Gender Mainstreaming?

Gender
Im Deutschen wird nicht wie im Englischen sprachlich zwischen dem biologischen («sex») und dem sozialen Geschlecht («gender») unterschieden. Um diese Unterscheidung vornehmen zu können, hat sich der Gebrauch des Wortes «gender» auch im Deutschen bewährt.

Mit «Gender» sind die gesellschaftlichen Geschlechterrollen gemeint, die Vorstellungen und Erwartungen, wie Frauen und Männer sein sollen beziehungsweise sind. Geschlechterrollen ändern sich im Laufe der Zeit und differieren innerhalb und zwischen Gesellschaften und Kulturen.Sie sind also – anders als das biologische Geschlecht – erlernt und damit auch veränderbar.

Mainstreaming
(englisch für «Hauptstrom») meint die in einer Organisation oder in einer Institution vorherrschenden Hierarchien und Handlungsmuster, die üblichen Regeln und Abläufe.

Gender Mainstreaming
Gender Mainstreaming bedeutet, diese geschlechtsspezifischen Mainstreaming Realitäten in allen Tätigkeiten und Vorhaben mitzudenken, damit die Bedürfnisse beider Geschlechter gleichermassen zum Zug kommen,
zum Beispiel

  • bei der Konzipierung von Dienstleistungsangeboten
  • bei der Planung von Projekten
  • beim Entscheid über den Einsatz von Ressourcen

aber auch:

  • in der Personalpolitik
  • in Kommunikationskonzepten
  • oder in der Finanzplanung

Gender Mainstreaming bedeutet auch,

  • Tätigkeiten und Vorhaben immer auf ihre eventuell geschlechtsspezifischen Auswirkungen zu prüfen
  • Frauen wie Männer gleichberechtigt an allen wesentlichen Planungen und Entscheidungen zu beteiligen.

Gender Mainstreaming ist also eine Strategie, welche die Gleichstellung von Frauen und Männern zum Ziel hat.

Warum Gender Mainstreaming?

Das Geschlecht ist in unserer Gesellschaft nicht nur ein individuellesPersonenmerkmal. Frau oder Mann zu sein ist ausschlaggebend dafür, welchen Platz wir in der Gesellschaft zu welchen Bedingungen einnehmen.

Das Leben von Frauen und Männern weist in den meisten Bereichen des öffentlichen und des privaten Lebens grosse Unterschiede auf, auch wenn uns dies nicht immer bewusst ist.

Die Rolle von Mann und Frau hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Die Gesellschaft fordert ein flexibles Verhalten von beiden Geschlechtern. Eine starreRollenaufteilung wie vor 40 Jahren greift heute nicht mehr. Frauen sind berufstätig und machen Karriere; Männer sind nicht mehr die alleinigen Ernährer der Familie.

Trotzdem

  • haben Frauen oft immer noch schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt
  • haben Frauen weniger Einkommen und ein höheres Armutsrisiko als Männer
  • leisten Frauen mehr unbezahlte Arbeit
  • kommt den Leistungen von Frauen i. d. Regel weniger Anerkennung und Wertschätzung zu
  • sind Frauen in wichtigsten Entscheidungs- und Machtstrukturen in Wirtschaft und Politik kaum vertreten

In einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer unterschiedliche Rollen und Positionen haben, gibt es keine «geschlechtsneutrale» Perspektive. Allzu oft wird nämlich übersehen, dass der scheinbar «neutrale» Blick ein sehr männlicher ist.

Frauen und ihre Lebenszusammenhänge, ihre Bedürfnisse und Interessen werden deshalb häufig nicht genug wahrgenommen, wodurch Benachteiligungen von Frauen zementiert werden.

Gender Mainstreaming integriert deshalb eine geschlechtssensible Perspektive in alle Politikbereiche und Massnahmen.

Das heisst, dass unterschiedliche Situationen und Bedingungen von Frauen und Männern immer bewusst berücksichtigt und alle Vorhaben so gestaltet werden, dass sie einen Beitrag zur Förderung der Gleichstellung leisten.

Voraussetzungen für Gender Mainstreaming

Eine erfolgreiche Umsetzung von Gender Mainstreaming hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.
Wichtig sind unter anderem folgende Aspekte:

Führungsaufgabe

Die Strategie des Gender Mainstreaming muss im Leitbild einer Organisation/eines Unternehmens verankert sein und ihre Umsetzung ist entsprechend eine der hauptsächlichen Führungsaufgaben (vgl. Leitbild Legislaturplan 2009–2013 des Kantons Solothurn).

Die oberste Führung einer Organisation/eines Unternehmens muss zu dieser Strategie stehen und durch ihr Handeln gezielt auf Veränderungen von Strukturen einwirken, die Ungleichheiten hervorbringen; das heisst, die Chancengleichheit zu einem Querschnittsthema machen, das in alle Bereiche und in die Politik- oder Unternehmensfelder mit einbezogen wird. Allgemeine Absichtserklärungen reichen nicht aus. Das Engagement für die Gleichstellung muss durch konkrete Entscheidungen und Aufträge sichtbar werden, und die Wirksamkeit der Massnahmen müssen überprüft werden. Im Kanton Solothurn wurde dazu 2012 ein Gleichstellungscontrolling implementiert.

«Wir wollen unser Handeln im Dienst an unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf Eigenverantwortung,  Solidarität, Nachhaltigkeit, Sicherheit und auf Gleichwertigkeit der Geschlechter ausrichten und mit unseren Mitteln haushälterisch umgehen.»

Leitbild 2009– 2013

Gender Kompetenz

Da das Thema Gleichstellung stark mit Werthaltungen verbunden ist, müssen die Mitarbeitenden für die Problematik geschlechtsspezifischer Ungleichheiten entsprechend sensibilisiert werden. Entscheidungen und Massnahmen betreffen immer Männer und Frauen, diesem Aspekt müssen sich alle erst bewusst werden.

Es gilt deshalb, kontinuierlich Gender-Kompetenz aufzubauen und zu vermitteln. Gender-Kompetenz liegt dann vor, wenn gleichstellungsrelevante Aspekte im jeweiligen Arbeits- und Themenfeldauf allen Hierarchieebenen wahrgenommen, respektiert und im praktischen Handeln berücksichtigt werden.

Verbindlichkeit und Überprüfbarkeit

Die Führungsebene legt die Ziele verbindlich fest und gibt so die Überprüfbarkeit Richtung vor. Durch die Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen und die Sensibilisierung der Mitarbeitenden wird die Umsetzung gefördert. Verbindlichkeit und Überprüfbarkeit sind grundlegende Voraussetzungen für Gender Mainstreaming.

Beispiele aus dem Legislaturplan 2005–2009:
«Teilzeitmöglichkeit auch für Kaderpersonen fördern»
«Kinderkrippenangebot ausbauen»
«Anzahl Frauen in Führungspositionen um 10% steigern»

Alle Beteiligten sind in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich zuständig für die Umsetzung der notwendigen Massnahmen.

Vorteile von Gender Mainstreaming

Die Gleichbehandlung der Geschlechter und das Recht auf gleiche Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen sind nicht nur grundlegende Menschenrechte, sondern auch eine logische Folge der Gleichwertigkeit der Geschlechter.

Die Gleichstellung der Geschlechter vergrössert die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft, die zu annähernd gleichen Teilen aus Männern und Frauen besteht. Eine volle Verwirklichung von Demokratie beruht nicht zuletzt auf gleicher Teilnahme und Teilhabe von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft.

Das gleiche Einbeziehen von Frauen und Männern in Entscheidungen in Politik und Wirtschaft führt zu einer breiter austarierten, ausgewogeneren Politik und wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklung.

Arbeit, Kreativität und Entscheidungsmacht beider Geschlechter sind für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar. Werden die Innovationspotenziale beider Geschlechter gleichermassen aktiviert, steht auch eine grössere Gruppe von qualifiziertem Personal zur Verfügung.

Starre und eventuell unproduktive Arbeitsstrukturen und -kulturen können durch eine gleichmässige Präsenz von Frauen und Männern schneller und besser überwunden werden. Neben schlanken Strukturen und Arbeitsabläufen gehört deshalb auch ein bewusstes Miteinbeziehen der Geschlechterperspektive in alle Entscheidungen.

Diese neue Strategie kann auch zu verbesserten neuen Produkten und Dienstleistungen führen, weil diese durch ihre Ausrichtung an den Lebensrealitäten beider Geschlechter kundinnen- und kundenfreundlicher werden. Dasselbe gilt auch für politische und verwaltungstechnische Massnahmen.Mit deren Akzeptanz steigt auch das Image von Politik und Verwaltung.

Die Gleichstellung von Mann und Frau bringt mehr Entscheidungsfreiheit für die eigene Lebensgestaltung und ist deshalb ein Beitrag in Richtung mehr Lebensqualität, nicht zuletzt auch für künftige Generationen.

Fazit

Gender Mainstreaming ist eine langfristige Erfolg versprechende Strategie, gesellschaftliche Strukturen so zu verändern und Entscheidungen so zu treffen, dass sie bestehende Ungleichheiten weder weiterführen noch neue generieren, sondern einen Beitrag zur Förderung der Chancengleichheit leisten und der Gleichwertigkeit von Frau und Mann gerecht werden.